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Elling ist zurück! Lässt Ingvar Ambjørnsen seine Kultfigur in Würde altern?

Nach einer Pause (die keine war*) von 20 Jahren ist jetzt der fünfte Elling-Roman aus der Feder von Ingvar Ambjørnsen erschienen. Und gestern – wie passend: am norwegischen Nationalfeiertag! – hat der Autor sein neues Werk erstmals der interessierten Öffentlichkeit live vorgestellt – in Hamburg! Warum in Deutschland und nicht in Norwegen? Warum in Hamburg und nicht in Oslo, wo der Roman spielt? Nun ja, zum einen sicherlich, weil der Autor seit Jahrzehnten in Hamburg lebt und zu Fuß zur Lesung kommen konnte. Aber vor allem, weil das Buch jetzt tatsächlich zuerst auf Deutsch in den Buchläden liegt und erst Ende Mai auch in Norwegen zu erwerben ist.

Die Übersetzerin Gabriele Haefs liest im Jussi – dem skandinavischen Krimi-Buch-Café – aus ECHO EINES FREUNDES im Beisein des Autors Ingvar Ambjørnsen.

So etwas – also, dass die Übersetzung vor dem Original erscheint – hat Seltenheitswert und lässt sich einfach damit erklären, dass die Übersetzerin Gabriele Haefs direkt aus dem Manuskript übersetzen konnte (wer die beiden kennt, weiß, warum) und gemeinsam mit dem deutschen Verlag Nautilus früher fertig geworden ist als Ambjørnsens norwegischer Verlag Cappelen Damm, der mit dem Autor immer noch die eine oder andere kleine Änderung diskutieren wollte…

Nun aber wirklich zu Elling! Ich kannte den Mann bis vor kurzem gar nicht. Nicht nur die Bücher, auch der Elling-Film ist „damals“ 2001 irgendwie an mir vorbeigegangen. Dabei war er sogar für einen Oscar nominiert, und zwar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. 800.000 NorwegerInnen hatten den Film gesehen – das ist rund ein Sechstel der norwegischen Bevölkerung. Kult!

Jetzt bin ich froh, Elling zu kennen, denn Elling trifft genau meinen Nerv – das weiß ich, seit ich BLUTSBRÜDER – das dritte der ersten vier Elling-Bücher – vor ein paar Tagen in einem Rutsch verschlungen habe! Dieser neurotische Typ, der irgendwie in jeglicher Hinsicht Angst vor der Welt hat und sich nach dem Tod der Mutter erst einmal in der Psychiatrie berappeln muss, ist die Personifizierung so vieler Ängste in unserer verrückten modernen Gesellschaft, da muss man/frau sich einfach mit ihm identifizieren. Und den Humor von Ingvar Ambjørnsen mag ich sehr: mal kräftig, situationskomisch, mal sprachwitzig, feinsinnig – immer originell.

* Elling lebte übrigens all die Jahre auch zwischen den Romanausgaben munter vor sich hin. Ingvar Ambjørnsen hat ihm immer wieder Leben eingehaucht – im Internet (siehe Ellings Facebook-Gruppe auf Norwegisch) oder auch live auf einer Lese-Tournee durch Norwegen. Elling hat in Norwegen sogar einen eigenen Gedichtband herausgegeben!

Ingvar Ambjørnsen erzählte gestern Abend bei der Lesung, dass der neue Roman durchaus schon zwei Jahre früher hätte erscheinen können. Das Manuskript hatte er bereits Anfang 2017 an seinen Verlag geschickt – um kurz darauf anzurufen und um Rücksendung zu bitten, mit den Worten: „War nicht so gemeint!“ 🙂 Ihm seien einfach noch zu viele erzähltechnische Ungereimtheiten aufgefallen, an denen er noch einmal feilen wollte. „Die jetzige Fassung ist wirklich besser als die erste“, schmunzelt er. „Die hat ja zum Glück auch nie jemand gelesen.“ Nicht einmal Gabriele!

Eigentlich sei Elling ein großes „Einsamkeits-Projekt“, erläutert der Autor, eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit diesem so zentralen Thema. Und er betont: Viele Menschen würden heutzutage in unserer Gesellschaft leben wie Elling – ohne Partner/in, ohne Freunde, schlichtweg allein. Und das könne auch durchaus okay sein. Elling gehe es nicht schlecht, das Leben sei eigentlich wirklich okay für ihn.

Mich berühren seine Worte. Ich kenne selbst (zu viele) Menschen, die im Prinzip genau so am Rande der Gesellschaft leben, die mit starken Einsamkeitsgefühlen kämpfen. Dass Ingvar Ambjørnsen es schafft, Elling mit so viel liebevollen Humor zu beschreiben, hat etwas sehr versöhnliches. Und die ersten Kapitel, die wir gestern Abend zu hören bekommen haben, lassen hoffen. Hoffen auf was? Ich frage nach, ob die Kategorie „Happy End“ für den Autor eine Rolle spiele. Er habe bestimmt noch ein bis zwei Elling-Romane in sich und Lust, diese aufzuschreiben, ist die Antwort. Und er würde oft von Frauen angeschrieben, die Elling eine Partnerin wünschen. „Mal schaun“, sagt er und lächelt ein bisschen in sich hinein…

Im neuesten Elling-Roman geht es jetzt erstmal darum, dass Elling wieder in Oslo Fuß fasst (niemand weiß so genau, wo er all die Jahre steckte) und im Alltag zurecht kommt. Er braucht auf jeden Fall einen neuen Freund, denn die Figur des Kjell Bjarne musste der Autor sterben lassen, um überhaupt wieder an Elling ranzukommen: „Die beiden haben 17 Jahre zusammen verbracht, ich bin da gar nicht mehr dazwischen gekommen und hatte die Kontrolle über Elling verloren.“ Hach, was für ein Spaß, wenn jemand sdas Eigenleben von Fiktion so respektiert. 😀

Ich bin dann erstmal offline und lese ECHO EINES FREUNDES. Und dann gibts auch ne richtige Renzension, versprochen! Übrigens lese ich das erste vom Autor signierte Exemplar des neuen Romans – signiert am 17. Mai. Heute schon ein Sammlerstück! 😀