Alle Artikel mit dem Schlagwort: Goethe-Institut

Literaturstadt Oslo – Lesereise Teil 4

Meine vierte und letzte Woche in Oslo hatte es in sich. Ich habe mich an Norwegens schwerste Zeiten in der jüngeren Geschichte herangewagt und an Orten Geschriebenes entdeckt, an denen ich so nicht damit gerechnet habe… (Das Ende dieses Artikels muntert dann wieder etwas auf, mit Literatur über Orte, über die nicht so oft Bücher geschrieben werden…)

1.
Das norwegische Widerstandmuseum

Hjemmefrontmuseet heißt es im Norwegischen. Das Widerstandsmuseum innerhalb der Akerhus-Festung erzählt anhand vieler Tonaufnahmen, Originalgegenstände und detailgetreu nachgebildeten Miniaturschauplätzen die fünf Jahre der deutschen Besatzung nach. Ich brauche zwei Tage, um mich durch die Ausstellung zu lesen, zu hören und zu schauen. Neben der beeindruckenden Anzahl an Widerstandszeitungen ist es vor allem ein durchlöchertes Blatt Toilettenpapier, dass mich sehr nachdenklich stimmt. Es hängt neben dem Nachbau einer Gefändniszelle in der Møllergata.

petter moen dagbok

Petter Moen, der Herausgeber der größten illegalen Zeitung „Nytt London“, hat mit einer Nadel Buchstaben darein gestochen und die gestochenen Blätter im Lüftungsschacht versteckt. Auf diese Weise dokumentierte er 210 Tage seiner Gefangenschaft. nachdem die Gestapo ihn gefasst hatte. Er kam bei der Verschiffung nach Deutschland im Jahr 1944 ums Leben, sein Tagebuch wurde entdeckt und 1949 erstmal veröffentlicht, daraufhin in viele Sprachen übersetzt, auch ins Deutsche. Die komplette Fassung (PDF) ist hier online frei zugänglich.

2.
22. Juli Zentrum

Es braucht nicht viel, um die Erinnerung an das Attentat am 22. Juli 2011 in Oslo und auf Utøya wachzuhalten.

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Das 22. Juli Zentrum im Regierungsviertel besteht aus einem Raum der Stille mit Portraitfotos aller Opfer, die Aufnahmen der Überwachungskamera, auf denen zu sehen ist, wie der Täter das Auto mit dem Sprengstoff vorfährt, einen weiteren Raum mit einem minutengenauen Zeitstrahl an den Wänden, gespickt mit Fotos, Tweets und weiteren Zitaten. Zur zusammenfassenden Einordnung dienen Auszüge aus der Urteilsverkündung. In der Mitte des Raumes stehen die verformten Überreste des Bombenautos wie eine mahnende Skulptur, an der letzten Wand hängt eine riesige Aufnahme der Insel vom Tag danach.

22-juli-senteret-2Am Ende der Ausstellung wartet ein Regal voller Bücher – die Verarbeitung des privaten wie nationalen Traumas ist in vollem Gange, zunächst in Form von journalistischen Dokumentationen und biografischen Texten der Opfer und Hinterbliebenen. Linn Ullmann hat in einem Interview gesagt, dass es wohl noch Jahre dauern kann, bis SchriftstellerInnen einen künstlerischen Ausdruck dafür finden…

3.
Jakobmesse in der Kulturkirken Jakob

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Und jetzt zu etwas Besinnlichem… Von September bis Mai wird  jeden Sonntag Abend um 20 Uhr in der Kulturkirche Jakob in Grünerløkka eine freier Gottesdienst zelebriert – Seit 15 Jahren gibt es die Jakobmesse jetzt schon. Vier durchkomponierte Messen mit eigens getexteten und komponierten Stücken und Liturgien wechseln sich ab, eine Band mit Schlagzeug, Piano, Sängerinnen und wechselnden MusikerInnen spielt live, das Ganze ist „et samarbeid mellom Kirkelig Kulturverksted og studentprestene i Oslo“ (jakob.no).

Hätte ich die Jakobmesse gleich zu Beginn meiner Oslo-Zeit entdeckt, wäre ich alle vier Sonntage hier gewesen, so waren es nur zwei. Eine wunderbare Zeit der Besinnung mit einem besonderen Klangerlebnis.

4.
Deutsch-norwegischer Sprachtandem-Abend im Goethe-Institut

Auch diese Woche gibt es noch einen Tipp zum Norwegischlernen: Einmal im Monat lädt das Goethe-Institut in Oslo zu einem Sprachtandem-Abend ein, bei dem sich immer eineR, der/die fließend norwegisch spricht und deutsch lernen will, zu einer/m geselt, der/die fließend deutsch spricht und norwegisch lernen will. Sowohl AnfängerInnen als auch Fortgeschrittene sind willkommen! Schade, dass der Tandemabend nicht zu Beginn meiner vier Wochen stattfand, sondern an meinem allerletzten Oslo-Abend. Deshalb bin ich nämlich nicht hingegangen, weil ich es doch vorgezogen habe, noch einmal zu meinem Folkeuniversitetet-Kurs zu gehen und mich von allen zu verabschieden.

5.
Ein Buch über das Hüttenklo

Der Norweger schreibt eigentlich über alles ein Buch. Sogar über das Klo in der Hütte. Warum ich das überhaupt entdeckt habe? Weil mein Liebster nach Oslo gekommen ist, um mich abzuholen. Und weil er in unserem Schrebergarten jüngst eine Hütte gebaut hat, hat er sich an unserem letzten Nachmittag in der Bücherei alle Bücher zu diesem Thema aus den Regalen geholt und durchgeblättert, während ich meine letzten Norwegisch-Hausaufgaben erledigte. Und siehe da! „Do på hytta – ideer til løsninger“ lässt uns beide schwärmen – von einem eigenen Plumpsklo auf unserer Parzelle! 😉

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6.
Tilbakeblikk – ein historischer Bildband über Tromsø

… und so komme ich zum Finale meiner vierwöchigen Lesereise durch Oslo. Und es ist kein Zufall, dass ein Bildband über Tromsø ist, der hier erwähnt wird – gefunden in einem sehr gut sortierten Atiquariat in der Storgata. In liebevoller Kleinarbeit sind darin alte und (zum Zeitpunkt des Erscheinens im Jahr 2000) neue Fotografien von zig Plätzen und Straßen in Tromsø zusammen gestellt – und ich werde schon im November die Gelegenheit haben, neue Fotos zu schießen und zu staunen, wie viel sich allein in den vergangenen 16 Jahren schon wieder verändert hat… Tschüss, Oslo! Tromsø, ich komme!

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7.
Bergenstest in Oslo am 14. Januar 2017

Ich hab mich getraut! Ich habe mich am letzten Tag hier in Oslo zum Bergenstest am 14. Januar 2017 angemeldet! Jetzt gibt es kein Zurück mehr, jetzt liegt das (ganz neu erschienene!) B2-Grammatikübungsbuch von Cecilie Lønn immer direkt neben all der norwegischen Belletristik, die noch auf mich wartet… 😉

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Ha det bra, Oslo! Vi sees!