Wusstest Du, dass sich der erste Linienflughafen Norwegens auf dem Inselchen Gressholmen im Oslofjord befand? Ich auch nicht, nicht bevor ich das Buch „Oslos øyrike“ aufschlug und in einem verschlang! Der Stadthistoriker Leif Gjerland hat so viel zu erzählen und zu zeigen – sein 2016 in überarbeiteter Auflage erschienenes Buch ist ein wahres Bilderbuch, das uns detailliert zeigt, wo wir auch heute noch auf den Osloer Inseln die höchst spannende Stadtgeschichte nachvollziehen können.
Von Gressholmen aus gingen also 1927 die ersten Linienflüge nach Göteborg und sogar nach Berlin! Hier landete 1933 Charles Lindbergh um herauszufinden, ob sich von hier aus eine direkte Flugverbindung nach Amerika etablieren ließe. Dass man vom Flugplatz aus nur mit dem Boot ins Osloer Zentrum gelangen konnte, war damals nicht der Rede wert, denn das Auto spielte als Transportmittel noch keine große Rolle; sich mit Booten und Schiffen auf dem Wasser fortzubewegen, war nach wie vor die Normalität für Norweger/innen.
Wie wäre es, wenn Du Dich bei Deinem nächsten Inselhopping einmal selbst davon überzeugst, dass es auf Heggholmen an manchen Stellen bis heute nach Leinöl riecht. Angeblich tut es das, schreibt Leif Gjerland, denn hier befand sich eine Leinölfabrik, die allerdings am sankthansaften (Johannistag) 1919 niederbrannte – bekanntlich brennt Leinöl sehr gut, und die Osloer bekamen in dieser Nacht ihr gigantischstes Mittsommernachstfeuer zu sehen… Heute kannst Du immer immer noch Schienen der alten Fabrikanlage finden sowie herumliegende Ziegelsteinreste der Fabrik.
Ist Dir bewusst, dass Du am Strand auf Langøynene eigentlich auf einer Müllhalde liegst? Dass dieses Badeparadies eigentlich der Osloer Müllkrise zu verdanken ist, ist ein gut verdrängter Teil der Stadtgeschichte auf den Inseln. Seit 1910 kippten die Osloer ihren Müll zwischen die beiden Inselchen, weil die Nachbarkommune Aker ihren Müll nicht mehr haben wollte – am 8. April 1940 sollte damit offiziell Schluss sein, denn der Müll konnte nun besser als Fundament für Rollbahnen am neuen Flughafen Fornebu dienen. Jener 8. April bekam jedoch eine ganz andere Bedeutung in der Geschichte Norwegens – und weil die Deutschen keinen Müll in Fornebu wollten, bauten sie ihren eigenen Flugplatz auf Langøynene und nutzten die Müllkippe auch weiterhin. Nach dem Krieg erschufen sich die Osloer hier schließlich ihr neues Sommerparadies, indem sie zunächst die Inselbewohner/innen zwangsumsiedelten, dann die riesige Müllhalde mit einer 60 cm dicken Sandschicht abdeckten und im Jahr 1951 die erste Badesaison eröffneten…
Kannst Du Dir vorstellen, dass Lindøya ursprünglich mal von Arbeitern mit Zelten besetzt wurde? Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Arbeiter/innen höhere Löhne und mehr Freizeit bekamen, wollten auch sie ein Stück vom Kuchen abbekommen und ihre Wochenenden auf den Inseln im Oslofjord verbringen. Die Inseln gehörten zwar eigentlich der Stadt, doch die Menschen scherten sich nicht darum und besetzten mit ihren Zelten nach und nach die ganze Insel. 1922 erhielten sie dann die Erlaubnis, kleine Hütten zu errichten. Heute sind die drei kleinen Inselchen Nakholmen, Lindøya und Bleikøya für ihre vielen bunten Hütten bekannt. Das Farbkonzept dafür entwickelte übrigens bereits 1933 die Stiftung Oslo Byes Vel.
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Noch viele weitere Geschichten könnte ich aus dem zauberhaften Buch „Oslos øyrike“ von Leif Gjerland zitieren. Ich empfehle Dir, einfach selbst auf Entdeckungsreise zu gehen, indem Du es Dir bei Deinem nächsten Oslo-Besuch in einer der vielen Deichmanske Filialen bequem machst, darin schmökerst und anschließend selbst auf Entdeckungstour gehst. God tur!
- Aktueller Fahrplan der Inselfähren von Aker brygge aus.