Heute bewirbt sich Tromsø beim Kulturrat in Oslo für den Auftrag „Kreativt Norge“: In Zukunft wird der nationale Etat für die regionale Kunstförderung nämlich außerhalb der Hauptstadt verwaltet werden, so will es die Regierung. Elf Mitarbeiter/innen soll das neue Kontor beschäftigen. Neben Tromsø gehen die Städte Bergen, Stavanger, Kristiansand, Drammen und Trondheim ins Rennen.
Ist Tromsø ein Außenseiter, wenn es um das Rennen im Bereich Kultur geht? Nein! Auf dem 69. Breitengrad geht kulturell die Post ab – nicht ohne Grund hat sich Tromsø im norwegischen Kulturindex von Platz 14 im vergangenen auf Platz 8 in diesem Jahr verbessert. Gemessen wird dafür unter anderem die „Künstlerdichte“ (aktuell kommen 5,7 Künstler/innen auf 1.000 Einwohner/innen), die Zahl der Angestellten im kulturellen Bereich, die Zahl der Kinobesuche pro Kopf (3,9) sowie die Zahl der Bücherausleihen pro Kopf (5) pro Jahr. (Auf Platz 1 des Kulturindex liegt übrigens nicht Oslo, sondern Røros! 😉 )
Leider findet die touristische Vermarktung der Stadt 244 Kilometer (Luftlinie) nördlich des Polarkreises hauptsächlich über Naturereignisse wie Polarlicht- und Walsafaris statt. „Where your arctic adventure begins“ – so wirbt Visittromso.no und positioniert auf der Startseite ausschließlich Outdoor-Aktivitäten. Das finde ich mehr als schade, denn damit verschenkt die Stadt meiner Meinung nach echtes Potential. Dabei tragen viele der zahlreichen Festivals das Internationale bereits im Namen, u.a. das Tromsø International Film Festival, das Internationales Literaturfestival Ordkalotten sowie das Internasjonale Kirkefestival.
Innerhalb Norwegens wird Tromsøs urbane Seite durchaus geschätzt: Tromsø hat mit ca. 15.500 Studierenden und 3.300 Angestellten die drittgrößte Universität des Landes. Die jungen Menschen zieht es hierher. Ein Grund: Auch jenseits der Festivalwochen findet hier ein bunter Kulturalltag statt. Kinos, Theater, Konzerte, Lesungen, Diskussionen – und über allem thront die Bibliothek im Zentrum, die täglich 22 Uhr genutzt werden kann und, wie ich beobachten konnte, Treffpunkt für viele junge Menschen ist. Auch die ältere Menschen gehen hier ein und aus, viele kommen auf einen Sprung vorbei, um in Ruhe Zeitung zu lesen – 36 Tages- und Wochenzeitungen werden gleich in der Eingangshalle angeboten, attraktive Sitzplätze machen das Verweilen angenehm.
Ich bin seit zwölf Tagen in der Stadt, und es vergeht kein Tag, an dem ich hier nicht mindestens zwei bis drei verschiedene Kulturveranstaltungen besuchen könnte. Ich war schon bei der Ausstellungseröffnung der schönsten Bücher des Jahres („Årets vakreste bøker“ – siehe Foto) im Nordnorsk Kunstmuseum. Ich war bei alternativen Messen in der Domkirche, bei Kari Bremnes live im The Edge und bei Lunchkonzerten im Kuturhaus. Ich war bei „Regalwanderungen“ in der Biblithek und freu mich auf morgen, wenn ich an der Bibliotheksveranstaltung „Strikk og Lytt“ teilnehme: Zwei Stunden lang liest jemand vor, während wir drum rum sitzen und stricken. Auch das ist Kultur! 😉
Und habe ich schon erwähnt, dass es erstaunlich viele Buchhandlungen in Tromsø gibt? Ich habe bis jetzt 7 gezählt. Darunter ein sehr gut sortiertes Antiquariat! Ich ahne, dass mich das Übergewicht meines Koffers im Flieger unbezahltbar ist und ich mit dem Schiff zurück kommen mus…
Jetzt gehe ich erstmal ins Bett. Wo? Im Hotel „Bed and Books“! Übernachten in einer großen Tauschbibliothek – auch das ist Tromsø! Sowie diese kleine private Tauchbibliothek (siehe Foto unten), die ich in einem Wohnviertel gefunden habe.
Tromsø hat ein Herz für Bücher.
🙂
Sehr schöner Artikel, da möchte man sofort einmal hin fahren! LG
Hei Lena, danke Dir! Ich freu mich auch schon riesig auf mein nächstes Mal: In drei Wochen ist es wieder soweit, zwar nur für fünf Tage, dann geht es weiter auf die Vesterålen, abee immerhin. Hast Du denn ein Lieblingsziel in Norge?