Diese Stadt ist voller Literatur! Und ich habe nur 28 Tage Zeit, sie zu lesen… Zum Glück macht Oslo es mir leicht, mich durch die Straßen zu blättern. Das sonnige Herbstwetter legt mir die Stadt regelrecht zu Füßen und ich entdecke, oft unverhofft, hinter jede Ecke neue Lesensqualität. Seit genau einer Wochte trage ich nun schon meine Fundstücke wie große blanke Kastanien nach Hause und zeige Euch heute die ersten Sieben.
1.
Ibsen Sitat – Kunstwerk auf der Karl Johans gate
Ob es ihm Recht gewesen wäre, dass wir achtlos auf seinen Gedanken rumtrampeln? Henrik Ibsen flanierte selbst täglich die Karl Johans gate längs; jetzt zieren 69 Zitate die Fußwege auf beiden Seiten. Alle Norweger/innen konnten sich an der Zitatauswahl beteiligen, mitgemacht haben namhafte Persönlichkeiten und auch ganze Schuklassen. Für die 4.011 Buchstaben wurde übrigens eigens eine Schrifttype entwickelt, der Oslofont. (Quelle)
2.
Öffentliche Bücherregale im Schlosspark
Leider nicht von Dauer, diese kleinen öffentlichen Bücherschränke, die an verschiedenen Bäumen im Osloer Schlosspark hängen und die zur Jubiläumsaktion des Königshauses gehören. In diesen Tagen sollen die Kästen wieder abgehängt werden. Erst vor ein paar Wochen hatte die Kronprinzessin Mette-Marit ein Foto getwittert, auf dem ihre Schwiegermutter zu sehen ist, wie sie ein Buch in eines dieser bokbytteskap stellt. Ich hab die beiden auf meinem Spaziergang leider nicht getroffen.
3.
Dikt underveis – Poems on the Underground
Du verstehst nicht
wie weit es bis Ullern ist
bist du jemanden dort liebst
wie breit
ein Früstückstisch sein kann
eine halbe Matratze
wie
verblüffend beschwerlich
ein einziger Millimeter
Wir
haben keinen Platz
für Abstand
zwischen uns
*
Dieses Gedicht von Cecilie Cottis Østreng ist eines von 24, die in diesem Jahr in den Osloer T-Bane-Stationen präsentiert werden. Jahr für Jahr wechselnd seit 1995 in den Osloer T-Bane-Stationen präsentiert werden. In London begann diese Kunstaktion „Poems on the Underground“ bereits 1986, also vor genau 30 Jahren! Seit 1995 ist Oslo mit den „Dikt underveis“ dabei, auch Athen, New York, Paris und Prag machen mit.
4.
UGLO – die neue Bücherbar des Verlags Aschehoug
Ich wär nicht auf die Idee gekommen, dass ein Verlag ein Händchen für eine Bar haben könnte! Bis ich zufällig auf meinem Heimweg in der Kristians August gate an UGLA vorbeikam. Eine Bar voller Bücher, und dabei so wenig piefige Bibliothek wie nur irgendwas! Erst Ende August 2016 hat der Aschehoug Verlag die bokbar UGLA eröffnet, ich kann also mit Fug und Recht sagen, sie für Euch entdeckt zu haben. 😉 Wie es sich für eine Frau von Welt gehört, hab ich dann natürlich versucht, mir einen Latte Macchiato zu bestellen. Lächelnde Antwort der camue-esken Kellnerin: nur Bohnenkaffee. Oh, wie erfrischend. Ich sah mich um und stellte fest, dass alle, aber auch wirklich alle Gäste ein Papierbuch vor der Nase hatten. Ob das Verlagsmitarbeiter/innen waren? Dafür waren sie eigentlich zu jung. Genau, verdammt jung waren sie, die UGLU-Gäste, aber sie haben mich als Ihresgleichen behandelt – schließlich las auch ich ein „echtes“ Buch und trank Bohnenkaffee.
5.
Hønse-Lovisas hus am Akerselva
Wenn ich nur einen einzigen Ort benennen dürfte, an den es mich wirklich jedes Mal wieder hinzieht, wenn ich in Oslo bin, dann ist es das kleine Kulturkafè ved Akerselva: Hønse-Lovisas hus. Direkt am Wasserfall zu sitzen und mit diesen gewaltigen Naturgeräuschen die Stadt für eine Weile auszusperren, ist so erfrischend! Und es gibt waffler med fløde og syltetøy. Und „påfull“ (Kaffee, viel man möchte, für nur einmal bezahlen – typisch norwegisch!). Hier habe ich in dieser Woche immer wieder im Roman „Elskere“ des Osloer Schriftstellers Mattis Øybø gelesen.
6.
Telemuseum testet Telefonzelle als öffentliches Bücherregal
An der Haltestelle Kjelsås steht eine dieser hübschen roten Telefonzellen, eine von rund 100, die in Norwegen noch in Betrieb sind. Über 6.000 gab es davon in den 80er Jahren. Jetzt testet das Telemuseum, wie die wenigen Übriggebiebenen in Zukunft sinnvoll genutzt werden können. Seit dem 1. September 2016 wird dieses Telefonhäuschen als öffentlicher Bücherschrank genutzt. Es gibt außerdem freies W-Lan – und das Ding spielt sogar ein Liedchen ab, wenn man eintritt und es twittert: @kjelsaskiosken. Als ich mit zwei Büchern unterm Arm wieder rauskam, ging ein Vater mit seinen zwei kleinen Söhnen vorbei und blieb neugierig stehen. Ich ging ein paar Schritte und drehte mich umn, aks ich den einen Kleinen jubeln höre: Sein Vater hatte einen Harry-Potter-Band für ihn entdeckt. Ich hätte gern ein Foto davon gemacht, aber ich bin, was Straßenfotografie angeht, immernoch ein bisschen schüchtern (bzw. halte mich gern an die Regeln und die Persönlichkeitsrechte meiner Mitmenschen).
7.
Schous Bøker – Antiquariat
… als letztes Fundstück aus dieser Woche: noch eine Neueröffnung, und wieder mit „echten“, also gedruckten Büchern! Das Menschen sich das als Geschäftsidee überhaupt noch einfallen lassen… Erst seit wenigen Monaten gibt es am Schous Plass in Grünerløkka (und damit nicht einmal 100 Meter (!) von meinem Schlafzimmer entfernt) dieses kleine, aber feine Antiquariat SCHOUS BØKER. Ich hab gleich mal nach Büchern von Regine Normann gefragt und bin auf einen engagierten Buchhändler gestoßen, der versucht, innerhalb der nächsten drei Wochen die eine oder andere Ausgabe für mich aufzutreiben…
*
Nächsten Freitag gibt es die nächsten literarischen Fundstücke meiner Lesereise durch Oslo. Ha det bra!