Die vergangenen 4 Tage waren wie ein Schnelldurchlauf eines Skandinavistik-Studiums für mich: „Vorlesungen“ im Halbstundentakt – in den Pausen drüber gesprochen – nachts gelesen. Meine liebe Freundin aus Oslo meinte, ich sei wahrscheinlich die Messebesucherin, die die meisten Live-Auftritte norwegischer Schriftsteller*innen aufmerksam verfolgt hat. Vielleicht hast Du Recht, Kari – die Wette gilt! ?
Auf dem Foto seht Ihr NUR Bücher von lebenden Schriftsteller*innen aus Norwegen, denen ich wirklich intensiv zugehört habe, wenn sie über Ihre Bücher und ihren Schreibprozess, über ihre Themen und ihre Haltung zur Welt und zur Literatur gesprochen haben.
Gro Dahle
Niels Fredrik Dahl
Lotta Elstad
Helga Flatland
Jon Fosse
Karin Fossum
Jostein Gaarder
Karl Ove Knausgård
Monica Kristensen
Vigdis Hjorth
Mona Høvring
Roy Jacobsen
Ruth Lillegraven
Unni Lindell
Merethe Lindstrøm
Jo Nesbø
Agnes Ravatn
Kjerst A. Skomsvold
Dag Solstad
Simon Stranger
Linn Ullmann
Hjerbørg Wassmo
Nicht mit einem Buch auf dem Foto vertreten, aber trotzdem habe ich ihnen aufmerksam zugehört:
Jørn Lier Horst
Bjørn Ousland
Maria Parr
Nicht auf dem Foto dabei sind all die schon verstorbenen Schriftsteller*innen, ÜBER die gesprochen wurde (wie zum Beispiel Tarjei Vesaas und Knut Hamsun) und auch nicht diejenigen, die ich nur so am Rande mitbekommen habe, weil ich mich manchmal zwischen 2 Sessions entscheiden musste und ich einige ja schon früher / anderswo ausführlich erlebt hatte (z.B. Maja Lunde, Hanne Ørstavik und Erling Kagge).
Und dann sind da ja auch noch all die hochspannenden norwegischen Schriftsteller*nnen, die gar nicht auf der Messe dabei waren…
Wie gut, dass die dunkle Jahreszeit bevorsteht – viel Zeit zum Lesen … und zum Übersetzen.
Seit ein paar Tagen bin ich zurück aus Rendsburg – oder sollte ich sagen: aus Spitzbergen? Die diesjährige Skandinavische Übersetzerwerkstatt hat uns 18 Teilnehmerinnen nämlich tief eintauchen lassen in die literarische Welt von Monica Kristensen, und diese Welt befindet sich eben auf Svalbard. Die norwegische Polarforscherin und Autorin war extra angereist, um einen Tag lang unser Ehrengast am Nordkolleg in Rendsburg zu sein. Nach Herzenslust konnten wir ihr Fragen zu ihren Spitzbergen-Krimis und zu ihrem neuestens Buch Amundsens siste reise stellen. Letzteres erscheint übrigens Anfang 2019 auf Deutsch (Amundsens letzte Reise), übersetzt von Christel Hildebrandt – unserer engagierten Seminarleiterin. Christel weiß mit ihren 30 Jahren Berufserfahrung wirklich, wie der Hase läuft in dieser Branche, und sie hat uns mit ihrer Leidenschaft für schöne Wörter und mit ihrer Freude an der Textarbeit regelrecht für diesen Beruf entflammt.
Als Mitte Oktober, also zwei Wochen vor dem Seminar, der Reader mit all den Probeübersetzungen der 18 Teilnehmerinnen (ja, dieses Jahr nur Frauen) eintraf, war ich schon sehr beeindruckt, wie unterschiedlich der Transfer ins Deutsche ausfallen kann. Während der viertägigen Übersetzerwerkstatt haben wir dann einen kompletten Tag lang in Kleingruppen à 4-5 Frauen jeweils 4 Seiten der insgesamt 16 Seiten lange Krimi-Kurzgeschichte Fikenpudding* nochmal ordentlich geknetet. Um jeden Satz haben wir miteinander gerungen – um einzelne Wörter und ganze Satzkonstruktionen. Auf einiges verständigten wir uns schon am Morgen, um durchgängig das gleiche Vokabular zu verwenden: Svalbard oder Spitzbergen? Schneemobil oder Schneescooter? Sysselmann oder Regierungsbevollmächtigter? Helikopter oder Hubschrauber? Auf die Kleingruppenarbeit folgte dann noch einmal ein intensiver Durchgang in großer Runde, um die Einzelteile zusammenzufügen und auf Konsistenz zu prüfen. Das Ergebnis haben wir (also drei von uns, siehe Titelbild oben) am Samstagabend in einer öffentlichen Lesung unter Anwesenheit der Autorin Monica Kristensen zum Besten gegeben. Eine runde Sache ist es geworden, das fanden wir alle! Der zweite und dritte Blick auf die eigene Arbeit hatte sich gelohnt. Im echten Übersetzerinnenalltag werden wir jedoch viel mehr auf uns allein gestellt sein und müssen so manche Entscheidung auch viel zügiger treffen, wenn wir ernsthaft unseren Lebensunterhalt mit dem Übersetzen bestreiten wollen. 😉
Im Anschluss an die Lesung war zeit für ein ausführliches Gespräch mit der Autorin (siehe auch Titelbild, links auf dem Foto bin ich zu sehen, rechts die Autorin, in der Mitte unsere Dolmetscherin aus dem Kreis der Teilnehmerinnen). Natürlich interessierte uns besonders, was Monica Kristensen übers Übersetzen denkt. Immerhin sind ihre Bücher bis heute in 14 Sprachen übersetzt worden. Sie betonte, wie wichtig es für sie sei, ihren ÜbersetzerInnen vertrauen zu können, und dass sie fest davon überzeugt sei, dass nicht die wörtlichste Übersetzung die beste ist, sondern jene, welche die Stimmung und den Stil des Originals am besten in der Zielsprache einfängt. Sich vom Ursprungstext ein Stück weit „wegzutrauen“, um der Stimme der Autorin umso gerechter zu werden – dazu braucht es Mut und Erfahrung.
Am dritten Seminartag ist dann auch noch Gabriele Haefs zu uns gestoßen, auch eine von den Großen in der Übersetzerszene (wenn Du Sofies Welt von Jostein Gaarder gelesen hat, „kennst“ Du sie). Gabriele hat uns einen fantastischen Einblick in die norwegische Verlagswelt gegeben und uns obendrein mit vielen Tipps versorgt, damit wir uns bei unseren ersten Gehversuchen (= Bemühungen, unseren ersten Übersetzungsauftrag an Land zu ziehen) nicht blamieren. Gabriele und Christel schwörten uns zudem auf den besonderen Wert der Kollegialität in diesem Haifischbecken ein. Für ihre lehrreichen Anekdoten bin ich äußerst dankbar.
Die Skandinavische Übersetzerwerkstatt hat in dieser Form bereits zum achten Mal stattgefunden. Und so viele Anmeldungen wie in diesem Jahr gab es noch nie. Wir waren zudem eine wirklich internationale Gruppe mit Teilnehmerinnen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Österreich und der Schweiz. Rund 80 LiteraturübersetzerInnen sind von Christel Hildebrandt seit 2011 bereits auf einen guten Weg gebracht worden. Wir haben uns am Ende ein Fortsetzungsseminar gewünscht – und wer weiß, vielleicht ist die Zeit ja reif dafür. Am Nordkolleg möchte man darüber nachdenken und eventuell fürs Frühjahr 2020 so etwas ins Auge fassen. Ich werde auf jeden Fall zunächst einmal im nächsten November erneut zur Skandinavischen Übersetzerwerkstatt kommen, denn eins ist klar: Als Übersetzerin lernst Du nie aus. Und so viele spannende Frauen auf einen Schlag triffst Du auch nicht jeden Tag …
* Die Krimi-Kurzgeschichte Feigenpudding kannst Du – in der Übersetzung von Ulrich Sonnenberg – nachlesen in der Anthologie Noch mehr wunderbare Weihnachtsmorde, erschienen bei btb.
Stimmen von der Pressekonferenz zu Norwegen2019.de am 11. Oktober 2018
So viel Interesse an einer Vorschau-Pressekonferenz des nächsten Gastlandes gab es auf der Frankfurter Buchmesse noch nie! Rund 350 internationale JournalistenInnen sind am Donnerstagmorgen anwesend, als Buchmesse-Präsident Jürgen Boos darüber aufklärt, warum wir von Norwegens SchriftstellerInnen im kommenden Jahr einiges erwarten dürfen: In Sachen Pressefreiheit sei Norwegen schließlich weltweit auf Platz 1. Wir können uns also, so betont er, darauf verlassen, dass aus dem Norden klare und offene Worte zum Thema Menschenrechte zu uns gesprochen werden. In das gleiche Horn bläst direkt im Anschluss auch Norwegens Kulturministerin Tine Skei Grande. In Zeiten wie diesen gehe es darum, den Wert der Demokratie hochzuhalten und neugierig zu bleiben – neugierig auf die Geschichten der anderen. Literatur diene dem Brückenbauen und das Übersetzen in eine andere Sprache sei Friedensarbeit. Norwegen komme nächstes Jahr als Brückenbauer nach Frankfurt, betont sie stolz – zu Recht: Norwegen ist wahrscheinlich das lesefreudigste Land der Welt. 88% der 5,2 Millionen NorwegerInnen haben letztes Jahr mindestens ein Buch gelesen – 38% sogar mehr als 10 Bücher. So viel Lust auf Geschichten, so viel Neugierde, davon wollen wir uns alle in 2019 eine Scheibe abschneiden!
Die Entscheidung für Norwegen als Gastland fiel bereits 2016, erzählt Margit Walsø, Direktorin von NORLA – Norwegian Literature Abroad. Seitdem erlebt norwegische Literatur weltweit einen Boom. Heute sei die Zahl der norwegischen Bücher, die in andere Sprachen übersetzt seien, 5x so hoch wie vor zehn Jahren. Und wir sprechen hier von insgesamt 44 Sprachen!
Halldor Gudmunsson, Projektmanager des norwegischen Ehrengastauftritts, hebt anschließend hervor, dass bereits 200 Bücher im Kontext des Guest-of-Honour-Projektes übersetzt worden seien. Er betont in diesem Zusammenhang die zentrale Rolle des Buchhandels und erzählt, dass NORLA in Vorbereitung der Frankfurter Buchmesse bereits viele BuchhändlerInnen nach Norwegen eingeladen hat.
Um uns Lust auf mehr zu machen, kommen in der Pressekonferenz drei norwegische SchriftstellerInnen von Rang und Namen zu Wort – sie sind heute die eigentlichen BotschafterInnen des Guest-of-honour-Projektes: Erling Kagge, Maja Lunde und Linn Ullmann. Sie alle halten ein Plädoyer auf die Kraft einer guten Geschichte, auf das gedruckte Buch, auf die Langsamkeit des Bücherlesens. „Langsamkeit ist zum Privileg geworden“, sagt Kagge. „Wir brauchen es, einander Geschichten zu erzählen; wir erzählen Geschichten, um zu leben“, sagt Ullmann. Und Maja Lunde, die in Norwegen vorrangig als Kinder- und Jugendbuchautorin bekannt ist, betont in der nachfolgenden Diskussionsrunde, dass auch Kinder ernsthafte Themen lesen wollen und dass ihre Bücher mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben, aber immer auch Hoffnung vermitteln.
Drei Tage lang verfolge ich nach dieser Pressekonferenz live die Veranstaltungen, die Norwegen auf der diesjährigen Buchmesse platziert hat, um schon einmal eine Duftmarke zu setzen und sich als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse 2019 zu positionieren. Es ist ein gelungener Auftakt. Konkret und ehrlich, poetisch und intensiv. Kein Autorenhopping, sondern vertiefende Gespräche – unter anderem von Thomas Böhm, Projektkoordinator bei NORLA, leidenschaftlich moderiert. Seine Begeisterung leuchtet mit den Farben seines Anzugs um die Wette. Doch das ist schon ein neuer Blogpost…
Ich wüsste gern, ob manch einer im Kinosaal BABYLON Anfang Mai bei der 3. DNX Konferenz ein wenig Unbehagen angesichts der riesengroßen Motivationsshow empfunden hat, zu der das Main Event am Samstag geraten war… Vielleicht haben auch die DNX-Macher/innen gemerkt, dass es ein bisschen too much war, denn im Oktober wird es jetzt vorrangig Workshops geben. Dabei hatte das Format der Vorträge im Halbstundentakt durchaus auch etwas. Immerhin waren alle, die es auf die Bühne geschafft haben, willens und in der Lage, eine wirklich tolle Story zu erzählen. Und ganz ehrlich: Nichts ist ansteckender als eine echt gute (und gut erzählte) Geschichte!
Ich bin mir sicher, dass dieser Tag voller Tschakka-Energie an niemandem im Saal spurlos vorbei ging… Und ich bin bereit, mir im Oktober die nächste Dosis zu holen. 🙂
2. Das Netzwerk ist einladend.
Sie wollen wirklich, dass Du dazu gehörst. Werde ein Teil der DNX. Fühl Dich eingeladen, ein aktives Mitglied der Community zu werden. Bei der „Übung“, sich mit jedem/r Sitznachbar/in im Kinosaal kurz auszutauschen, warum man hier ist und was man vorhat, war mir kurz mulmig zumute – am Ende hab ich zu meiner Rechten eine wunderbare Bekanntschaft gemacht, und wir hatten sofort das Gefühl, dass sich unsere Pläne und Ziele ungemein ähnelten. Allein für diesen einen Kontakt hat es sich für mich schon gelohnt.
3. Der Wissenstransfer erfolgt großzügig.
Alle auf der Konferenz teilen, teilen, teilen. Sie teilen ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihre Leidenschaft, ihre Begeisterung. Sie wollen, dass auch Du es schaffst, Deinen Traum zu leben. Und sie machen ihr Nähkästchen wirklich weit auf.
Kurzum: Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, NICHT zu dieser DNX Konferenz zu fahren:
Du hast schon alles erreicht, wofür es sich zu leben lohnt.