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Auf Oslos Inseln wird Stadtgeschichte lebendig | Buchrezension: Oslos øyrike

Wusstest Du, dass sich der erste Linienflughafen Norwegens auf dem Inselchen Gressholmen im Oslofjord befand? Ich auch nicht, nicht bevor ich das Buch „Oslos øyrike“ aufschlug und in einem verschlang! Der Stadthistoriker Leif Gjerland hat so viel zu erzählen und zu zeigen – sein 2016 in überarbeiteter Auflage erschienenes Buch ist ein wahres Bilderbuch, das uns detailliert zeigt, wo wir auch heute noch auf den Osloer Inseln die höchst spannende Stadtgeschichte nachvollziehen können.

Von Gressholmen aus gingen also 1927 die ersten Linienflüge nach Göteborg und sogar nach Berlin! Hier landete 1933 Charles Lindbergh um herauszufinden, ob sich von hier aus eine direkte Flugverbindung nach Amerika etablieren ließe. Dass man vom Flugplatz aus nur mit dem Boot ins Osloer Zentrum gelangen konnte, war damals nicht der Rede wert, denn das Auto spielte als Transportmittel noch keine große Rolle; sich mit Booten und Schiffen auf dem Wasser fortzubewegen, war nach wie vor die Normalität für Norweger/innen.

Wie wäre es, wenn Du Dich bei Deinem nächsten Inselhopping einmal selbst davon überzeugst, dass es auf Heggholmen an manchen Stellen bis heute nach Leinöl riecht. Angeblich tut es das, schreibt Leif Gjerland, denn hier befand sich eine Leinölfabrik, die allerdings am sankthansaften (Johannistag) 1919 niederbrannte – bekanntlich brennt Leinöl sehr gut, und die Osloer bekamen in dieser Nacht ihr gigantischstes Mittsommernachstfeuer zu sehen… Heute kannst Du immer immer noch Schienen der alten Fabrikanlage finden sowie herumliegende Ziegelsteinreste der Fabrik.

Ist Dir bewusst, dass Du am Strand auf Langøynene eigentlich auf einer Müllhalde liegst? Dass dieses Badeparadies eigentlich der Osloer Müllkrise zu verdanken ist, ist ein gut verdrängter Teil der Stadtgeschichte auf den Inseln. Seit 1910 kippten die Osloer ihren Müll zwischen die beiden Inselchen, weil die Nachbarkommune Aker ihren Müll nicht mehr haben wollte – am 8. April 1940 sollte damit offiziell Schluss sein, denn der Müll konnte nun besser als Fundament für Rollbahnen am neuen Flughafen Fornebu dienen. Jener 8. April bekam jedoch eine ganz andere Bedeutung in der Geschichte Norwegens – und weil die Deutschen keinen Müll in Fornebu wollten, bauten sie ihren eigenen Flugplatz auf Langøynene und nutzten die Müllkippe auch weiterhin. Nach dem Krieg erschufen sich die Osloer hier schließlich ihr neues Sommerparadies, indem sie zunächst die Inselbewohner/innen zwangsumsiedelten, dann die riesige Müllhalde mit einer 60 cm dicken Sandschicht abdeckten und im Jahr 1951 die erste Badesaison eröffneten…

Kannst Du Dir vorstellen, dass Lindøya ursprünglich mal von Arbeitern mit Zelten besetzt wurde? Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Arbeiter/innen höhere Löhne und mehr Freizeit bekamen, wollten auch sie ein Stück vom Kuchen abbekommen und ihre Wochenenden auf den Inseln im Oslofjord verbringen. Die Inseln gehörten zwar eigentlich der Stadt, doch die Menschen scherten sich nicht darum und besetzten mit ihren Zelten nach und nach die ganze Insel. 1922 erhielten sie dann die Erlaubnis, kleine Hütten zu errichten. Heute sind die drei kleinen Inselchen Nakholmen, Lindøya und Bleikøya für ihre vielen bunten Hütten bekannt. Das Farbkonzept dafür entwickelte übrigens bereits 1933 die Stiftung Oslo Byes Vel.

*

Noch viele weitere Geschichten könnte ich aus dem zauberhaften Buch „Oslos øyrike“ von Leif Gjerland zitieren. Ich empfehle Dir, einfach selbst auf Entdeckungsreise zu gehen, indem Du es Dir bei Deinem nächsten Oslo-Besuch in einer der vielen Deichmanske Filialen bequem machst, darin schmökerst und anschließend selbst auf Entdeckungstour gehst. God tur!

Crowdfunding: Ein blaues Schild für Regine Normann in Oslo

Regine Normann blaues Schild Stensgate 3 Oslo Crowdfunding

Mach mit! Gesammelt wird vom 18. Juni bis 29. Juli 2017

Vor 100 Jahren war Regine Normann eine berühmte Schriftstellerin in Norwegen und ihre Osloer Wohnung in der Stensgate 3 war ein bekannter literarischer Treffpunkt. Doch in Oslo fehlt heute jede Spur von ihrem jahrzehntelangen Wirken in der Hauptstadt (mehr darüber im Abschnitt „Wer war eigentlich Regine Normann?“). Holen wir Regine Normann anlässlich ihres 150. Geburtstages am 29. Juli 2017 aus der Vergessenheit!

Ich sammle zurzeit auf der norwegischen Crowdfundingplattform bidra.no für diese Gedenktafel und benötige dafür 14.000 Kronen (knapp 1.500 Euro) – und natürlich kann man online von überall aus spenden! Auch Du! 🙂


UPDATE 27. JUNI 2017: Das erste große Ziel – 14.000 Kronen für das Schild in Oslo – ist erreicht, und das nach nur 9 Tagen! 🙂 DANKE! Lasst uns diese positive Energie und die verbleibenden 30 Tage der Kampagne auf bidra.no nutzen und das zweite Ziel anpeilen: ein blaues Schild in Bø auf den Vesterålen, wo Regine Normann aufgewachsen ist, wo sie während ihrer ersten Ehe gelebt und gearbeitet hat – bis sie 1869 nach Oslo flüchtete… Die Stiftung OSLO BYES VEL produziert die berühmten blauen Schilder für ganz Norwegen. Ich bin bereits dabei herauszufinden, wo dieses Schild aufgehängt werden könnte. In jedem Fall wird die zusätzliche Summe, die über die für Oslo benötigten 14.000 Kronen hinaus gehen, zweckgebunden an OSLO BYES VEL und an die Stiftung Regine Normann in Bø gespendet, bzw. an die Organisation in Bø, die sich für die Aufhängung des Schildes verantwortlich erklärt. Ich halte Euch auf dem Laufenden. Es darf also weiter gespendet werden! 🙂 


Belohnung für Deine Spende auf bidra.no

Bei Crowdfunding-Aktionen ist es oft üblich, Dankeschöns für größere Spenden zu vergeben. Da ich nicht nur in Norwegen um Unterstützung werbe, sondern auch im Kreis meiner FreundInnen und Familie und meiner deutschsprachigen Blog-LeserInnen, habe ich mir etwas einfallen lassen, damit auch alle, die kein Norwegisch verstehen, eine Belohnung wählen können:

  • Für 100 Kronen bekommst Du eine persönliche Postkarte von mir einem Foto von dem frisch aufgehängten Schild in der Stensgate 3.
  • Für 250 Kronen bekommst Du gratis und exklusiv mein Regine Normann Lesebuch als eBook (PDF und ePub): Märchen, Sagen und Kurzgeschichten – alles erstmalig ins Deutsche übersetzt, und zwar von mir persönlich! 🙂
  • Für 500 Kronen kannst Du Dir eine Gratis-Norwegischunterrichtsstunde via Skype bei Yvonne Moutoux gönnen (Termin nach Absprache mit Yvonne, einzulösen 2017 oder 2018).
  • Für 1.000 Kronen übernachtest Du – allein oder mit Deiner Freundin – gratis im Hamnburger Hotel Hanseatin (Achtung: exklusiv für Frauen! Termin nach Verfügbarkeit, einzulösen 2017 oder 2018).

Für alle, die Norwegisch können, sind natürlich auch die anderen Belohnungen sehr spannend, zum Beispiel eine Originalausgabe von Regine Normanns Sagen und ein Hörbuch ihrer Märchen…




Dies ist die Übersetzung meiner Crowfunding-Kampagne auf bidra.no –
für alle, die mitmachen wollen, um diese Gedenktafel zu finanzieren,
aber nicht ausreichend Norwegisch verstehen.

Danke für Deine Spende – jede Krone zählt!


Stensgate 3 in Oslo: Altbauten, schöne Umgebung, der Stenspark und die Straßenbahn Richtung Blindern sind direkt um die Ecke…

… von 1910 bis 1939 lebte hier die Schriftstellerin Regine Normann. Sie war die erste Schriftstellerin aus Nord-Norwegen, die im ganzen Land bekannt und berühmt wurde. Sie schrieb 18 insgesamt Bücher und arbeitete gleichzeitig bis zur Pensionierung in Vollzeit als Lehrerin an der Sofienberg Skole. Sie setzte sich erfolgreich für die Etablierung von Schulbüchereien und kostenlosem Frühstück in den Schulen ein, sie war lange Jahre im Vorstand des norwegischen Schriftstellerverbandes und bekam 1937 die königliche Verdienstmedallie in Gold verliehen.

Unglaublich, aber wahr: In ganz Oslo findet man heute keinen Hinweis darauf, dass diese engagierte und bekannte Schriftstellerin über 40 Jahre lang in Norwegens Hauptstadt gelebt und gewirkt hat. Kein Straßenschild trägt ihren Namen, keine Gedenktafel erinnert an ihr kulturelles und gesellschaftliches Engagement für Oslo und über die Stadtgrenzen hinaus.

Das möchte ich gemeinsam mit Euch ändern! Schenken wir Regine Normann zu ihrem 150. Geburtstag ein eigenes blaues Schild in der Stensgate 3. Hier lebte sie fast 30 Jahre lang. Hier empfing sie mit ihrer nordnorwegischen Gastfreundlichkeit ihre Gäste mit liebevoll zubereiteten Speisen, hier veranstaltete sie einen literarischen Salon, zu dem alle bekannten Schiftsteller/innen ihrer Zeit kamen.

Was ist ein blaues Schild?

Die blauen Schilder sind Oslos Stadtgeschichte in Kurzform – an der Wand, dort wo sich Geschichte ereignet hat. Seit 1990 wurden bereits über 300 dieser Gedenkschilder aufgehängt. Sie erinnern an Menschen, Bauten und Ereignisse…

Wusstest Du, dass jeder bei der Stiftung OSLO BYES VEL, die das Schildprojekt verantwortet, einen Vorschlag für ein neues blaues Schild einreichen kann? Das habe ich im Januar 2017 getan, nachdem ich herausgefunden hatte, das in der Stensgate 3 noch keine Gedenktafel hängt. Ich bekam umgehend die Antwort, dass Regine Normann in jedem Fall ein eigenes Schild verdient  – doch ohne eine entsprechende Geldspende kann kein neues Schild produziert werden…


HIER GEHT ES DIREKT ZUR CROWDFUNDING-AKTION:
fnd.uz/reginenormann

Spenden auf bidra.no – deutsche Übersetzung  und Anleitung


Wofür die 14.000 Kronen (ca. 1.500 Euro)?

Der weitaus größte Teil (ca. 12.000 Kronen) wird für das Schild selbst gebraucht, sprich um die Rechnung der Stiftung OSLO BYES VEL zu bezahlen. Dafür übernimmt die Stiftung:

  • die fachkundige Unterstützung bei der Textentwicklung
  • die Produktion und das Anbringen des Schildes an der Hauswand
  • die Durchführung einer offiziellen Einweihungszeremonie

Einen kleinen Teil (rund 2.000 Kronen) benötige ich selbst, um eine Dokumentation dieses Schildprojektes zu erstellen.

Sollten wir zu viel Geld zusammen bekommen…

… dann bestellen wir eben ein zweites Schild für Regine Normann – zum Beispiel für Bø auf den Vesterålen, wo sie geboren und aufgewachsen ist und wohin sie Zeit ihres Lebens starke Verbindungen hatte. Die Stiftung OSLO BYES VEL produziert nämlich solche blauen Gedenkschilder für ganz Norwegen – mehr darüber hier (auf norwegisch, aber mit vielen Bildern). Hast Du einen Vorschlag für ein zweites blaues Schild? Dann schreib mir Deine Ideen gerne als Kommentar!

In jedem Fall wird der gesamte Betrag, der die 14.000 Kronen übersteigt, als Spende an OSLO BYES VEL.

Enthüllung mit Rahmenprogramm

Das Datum für die offizielle Hängung des blauen Schildes steht schon fast fest – vorausgesetzt, wir bekommen die 14.000 Kronen zusammen:

Dienstag, 22. August 2017, 14 Uhr

Bist Du dabei? Ich bin gerade damit beschäftigt, ein kleines Rahmenprogramm zu organisieren, und halte Dich auf dem Laufenden – hier, auf Facebook und natürlich auf bidra.no.

Wer steht hinter diesem Schildprojekt?

Das Ganze ist meine Privatinitiative – eine Art Abrundung meines Norwegenprojektes: Im Laufe meines Sabattjahres 2016/17 reiste ich auf den Spuren von Regine Normann nach Oslo, Tromsø und die Vesterålen – und war zunehmend fasziniert von dem außergewöhnlichen Leben dieser Schriftstellerin sowie von ihren sozialkritischen Romanen und Kurzgeschichten, ihren nordnorwegischen Sagen und Kunstmärchen.

Unterwegs in Norwegen traf ich auf wunderbare engagierte Menschen, die die Erinnerung an Regine Normann auf vielfältige Weise lebendig halten – unter anderem:

Sie alle stehen hinter diesem Schildprojekt und unterstützen mich in unterschiedlichster Form. Herzlichen Dank!

Auch meine Freundinnen Yvonne von norwegischkurse.com und Linda vom Hotel Hanseatin in Hamburg unterstützen die Crowdfunding-Aktion mit sehr großzügigen Sachspenden – hjertelig takk!

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle auch an die beiden weltbesten Norwegischlehrerinnen Yvonne Moutoux (norwegischkurse.com) und Cecilie Lønn (Norsk for deg!), die mir die Freude an der norwegischen Sprache vermittelt haben.


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Wer war eigentlich Regine Normann?

Wer war eigentlich Regine Normann?

Regine Normann wurde im Jahr 1867 in Bø auf den Vesterålen geboren. Ihr Lebenslauf repräsentiert ein außergewöhnliches Frauenleben zu ihrer Zeit. Als Kind wurde sie zu Verwandten gegeben, nachdem ihr Vater starb, als sie vier Jahre alt war. Nach ihrer Konfirmation arbeitete sie  als Kindermädchen im Haus des Pastors und ging mt gerade einmal 17 Jahren eine von Beginn an sehr unglückliche Ehe mit einem 21 Jahre älteren Glöckner und Lehrer ein. Sie begann zu schreiben – gegen den Willen ihres Ehemannes – und versteckte ihre Manuskripte in einer Höhle im Berg. Im Jahr 1886 gelang ihr die Flucht nach Oslo, wo sie eine Ausbildung als Lehrerin begann.

Es war Henrik Ibsen persönlich, der ihr eine Referenz für ihr erstes Romanmanuskript verfasste, das Honorar für „Krabvaag“, das schon auf den Vesterålen heimlich in der Höhle entstanden ist und schließlich 1905 herauskam, nutzte sie, um ihre Scheidung zu finanzieren. Von 1906 bis 1913 war sie mit dem gleichaltrigen Schriftsteller Tryggve Andersen verheiratet.

Mit Erscheinen ihres ersten Buches war Regine Normann nicht mehr länger nur eine engagierte und beliebte Lehrerin an der Sofienbergschule, sondern mit einem Schlag auch eine berühmte Schriftstellerin. Sie war die erste Schriftstellerin, die aus dem hohen Norden Norwegens stammte und landesweite Aufmerksamkeit für ihre Bücher bekam. Ihr Werk umfasst 18 Bücher, darunter sozialkritische und historische Romane, kurze Erzählungen und auch ein Kinderbuch, nordnorwegische Sagen sowie Kunstmärchen. Heute ist sie vor allem als Norwegens „Märchenkönigin“ bekannt.

Nach und nach wurde Regione Normann also in die Schriftstellerszene der Hauptstadt aufgenommen und wurde zu einer wichtigen Stimme in gesellschaftlichen Debatten. Sie war Mitglied im norwegischen Schriftstellerverband und gehörte von 1913 bis 1932 dessem Vorstand an. Sie publizierte in verschiedenen Zeitungen, nicht nur literarische Texte, sondern auch Essays und Leserbriefe als Beiträge zu aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen. Auf diese Weise engagierte sie sich beispielsweise bereits 1917 als eine der Ersten für den Erhalt des Polarschiffes Fram.

Regine Normann betonte selbst immer wieder, dass sie zwei Lebenswerke hatte. Bis ins Pensionsalter 1932 hatte sie einen Vollzeitjob als Lehrerin an der Sofienberg Schule. Doch sie nutzte jeden Sommer um zu schreiben. Sie war eine beliebte und respektierte Lehrerin und sie war eine begehrte Märchenerzählerin – in der Schule genau so wie in der Deichmanske Bibliothek. Sie gehörte dem Ausschuss für Schulbuchsammlungen an und sie gehörte zu den Ersten, die das Potenzial von Schulradiosendungen erkannnte. Leider ist keine Aufnahme mit ihrer Stimme erhalten.

Regine Norman erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem die königliche Verdienstmedallie in Gold im Jahr 1937.

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Stensgate 3

Bereits seit 1905 wohnte regine Normann in der Stensgate in Oslo, zunächst in der Stensgate 5, gemeinsam mit ihrem Ehemann Tryggve Andersen. Nach einem längeren Deutschlandaufenthalt zog sie 1910 in eine Wohnung im 1. Stock der Stensgate 3 – dort blieb sie fast 30 Jahre lang wohnen. In den Jahren, in denen sie mit Tryggve verheiratet war, war das Ehepaar bekannt für seine literarischen Gesellschaften in der Stensgate 3. Doch auch nach der Scheidung blieb ihre Adresse in Künstlerkreisen bekannt.

Regine Normann war berühmt für ihre nordnorwegische Gastfreundschaft, sie liebte es, ihre Gäste mit selbst zubereiteten Speisen zu verwöhnen. Am „kleinen Heiligabend“ (23. Dezember) war es Tradition, sich bei Regine Normann in der Stensgate 3 zu treffen. Eine Weile hatten ihre besten Freundinnen – die Schriftstellerinnen Sigrid Undset, Nin Roll Anker und Barbra Ring – überlegt, mit ihr gemeinsam ein literarisches Kochbuch herauszugeben, doch daraus ist leider nichts geworden.

Kurz bevor Regine Normann im Alter von 72 Jahren wieder zurück nach Nord-Norwegen zog, erhielt sie von Sigrid Undset eine Art Abschiedsbrief: „Danke für all diese Jahre, die wir uns kennen und immer wieder Zeit miteinander verbracht haben. Ich werde Dich vermissen und ich werde den geliebten Zufluchtsort in der Stestgate 3 vermissen, so oft ich an Dich denke – und das werde ich oft tun.“ (zitiert nach Liv Helene Willumsen „Havemannens Datter. Regine Normann – et livsløp“ 19197, s. 263f)

*

Verbindungen nach Nord-Norge

Regine Normann lebte und arbeitete zwar viele Jahrzehnte in Norwegens Hauptstadt, doch ihre Verbindungen in den Norden waren zeit ihres Lebens sehr stark. In den Schulferien reiste sie mit dem Hurtigruten-Schiff auf die Vesterålen, um ihre Mutter und andere Verwandte zu besuchen. Und einige Male erhielt sie ein Schriftsteller-Stipendium für Studienreisen in den Norden. Vesterålens natur und die Traditionen inspirierten sie als Schriftstellerin und sind in ihrem Werk sehr präsent.

Am Ende ihres Lebens wurde die Sehnsucht zu groß: Im Juni 1939 zog sie von oslo nach Steinsland in Skånland, wo ihr Bruder lebte. Nur wenige Wochen später wurde sie krank und starb am 14. August 1939. Sie ist auf dem Skånland Friedhof begraben.

Heute gibt es in Bø auf den Vesterålen ein jährliches Festival zu Ehren der ersten berühmten Schriftstellerin aus Nord-Norwegen. Die Reginetage (Reginedagan) finden immer Ende Juli, rund um ihren Geburtstag statt. In diesem Jahr ist es genau 150 Jahre her, dass Regine Normann geboren wurde – auf vielfältige Weise wird während des Festivals vom 23. bis 30. Juli 2017 ihrer gedacht werden.

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Wir gratulieren!

Til hennes runde fødselsdager fikk Regine Normann alltid gratulasjoner fra hele Norge, blant annet fra Nanna With, dattera av Hurtigrutens gründer Richard With, og polfarer Fridjof Nansen:

For å bruke Nansens ord igjen hele 80 år senere:

I takknemlighet for hennes fruktbringende virksomhet 

gir vi Regine Normann til hennes 150. bursdag

et eget blått skilt i Oslo.

Weiterführende Links


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Literaturstadt Oslo – Lesereise Teil 4

Meine vierte und letzte Woche in Oslo hatte es in sich. Ich habe mich an Norwegens schwerste Zeiten in der jüngeren Geschichte herangewagt und an Orten Geschriebenes entdeckt, an denen ich so nicht damit gerechnet habe… (Das Ende dieses Artikels muntert dann wieder etwas auf, mit Literatur über Orte, über die nicht so oft Bücher geschrieben werden…)

1.
Das norwegische Widerstandmuseum

Hjemmefrontmuseet heißt es im Norwegischen. Das Widerstandsmuseum innerhalb der Akerhus-Festung erzählt anhand vieler Tonaufnahmen, Originalgegenstände und detailgetreu nachgebildeten Miniaturschauplätzen die fünf Jahre der deutschen Besatzung nach. Ich brauche zwei Tage, um mich durch die Ausstellung zu lesen, zu hören und zu schauen. Neben der beeindruckenden Anzahl an Widerstandszeitungen ist es vor allem ein durchlöchertes Blatt Toilettenpapier, dass mich sehr nachdenklich stimmt. Es hängt neben dem Nachbau einer Gefändniszelle in der Møllergata.

petter moen dagbok

Petter Moen, der Herausgeber der größten illegalen Zeitung „Nytt London“, hat mit einer Nadel Buchstaben darein gestochen und die gestochenen Blätter im Lüftungsschacht versteckt. Auf diese Weise dokumentierte er 210 Tage seiner Gefangenschaft. nachdem die Gestapo ihn gefasst hatte. Er kam bei der Verschiffung nach Deutschland im Jahr 1944 ums Leben, sein Tagebuch wurde entdeckt und 1949 erstmal veröffentlicht, daraufhin in viele Sprachen übersetzt, auch ins Deutsche. Die komplette Fassung (PDF) ist hier online frei zugänglich.

2.
22. Juli Zentrum

Es braucht nicht viel, um die Erinnerung an das Attentat am 22. Juli 2011 in Oslo und auf Utøya wachzuhalten.

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Das 22. Juli Zentrum im Regierungsviertel besteht aus einem Raum der Stille mit Portraitfotos aller Opfer, die Aufnahmen der Überwachungskamera, auf denen zu sehen ist, wie der Täter das Auto mit dem Sprengstoff vorfährt, einen weiteren Raum mit einem minutengenauen Zeitstrahl an den Wänden, gespickt mit Fotos, Tweets und weiteren Zitaten. Zur zusammenfassenden Einordnung dienen Auszüge aus der Urteilsverkündung. In der Mitte des Raumes stehen die verformten Überreste des Bombenautos wie eine mahnende Skulptur, an der letzten Wand hängt eine riesige Aufnahme der Insel vom Tag danach.

22-juli-senteret-2Am Ende der Ausstellung wartet ein Regal voller Bücher – die Verarbeitung des privaten wie nationalen Traumas ist in vollem Gange, zunächst in Form von journalistischen Dokumentationen und biografischen Texten der Opfer und Hinterbliebenen. Linn Ullmann hat in einem Interview gesagt, dass es wohl noch Jahre dauern kann, bis SchriftstellerInnen einen künstlerischen Ausdruck dafür finden…

3.
Jakobmesse in der Kulturkirken Jakob

oslo jakobmesse

Und jetzt zu etwas Besinnlichem… Von September bis Mai wird  jeden Sonntag Abend um 20 Uhr in der Kulturkirche Jakob in Grünerløkka eine freier Gottesdienst zelebriert – Seit 15 Jahren gibt es die Jakobmesse jetzt schon. Vier durchkomponierte Messen mit eigens getexteten und komponierten Stücken und Liturgien wechseln sich ab, eine Band mit Schlagzeug, Piano, Sängerinnen und wechselnden MusikerInnen spielt live, das Ganze ist „et samarbeid mellom Kirkelig Kulturverksted og studentprestene i Oslo“ (jakob.no).

Hätte ich die Jakobmesse gleich zu Beginn meiner Oslo-Zeit entdeckt, wäre ich alle vier Sonntage hier gewesen, so waren es nur zwei. Eine wunderbare Zeit der Besinnung mit einem besonderen Klangerlebnis.

4.
Deutsch-norwegischer Sprachtandem-Abend im Goethe-Institut

Auch diese Woche gibt es noch einen Tipp zum Norwegischlernen: Einmal im Monat lädt das Goethe-Institut in Oslo zu einem Sprachtandem-Abend ein, bei dem sich immer eineR, der/die fließend norwegisch spricht und deutsch lernen will, zu einer/m geselt, der/die fließend deutsch spricht und norwegisch lernen will. Sowohl AnfängerInnen als auch Fortgeschrittene sind willkommen! Schade, dass der Tandemabend nicht zu Beginn meiner vier Wochen stattfand, sondern an meinem allerletzten Oslo-Abend. Deshalb bin ich nämlich nicht hingegangen, weil ich es doch vorgezogen habe, noch einmal zu meinem Folkeuniversitetet-Kurs zu gehen und mich von allen zu verabschieden.

5.
Ein Buch über das Hüttenklo

Der Norweger schreibt eigentlich über alles ein Buch. Sogar über das Klo in der Hütte. Warum ich das überhaupt entdeckt habe? Weil mein Liebster nach Oslo gekommen ist, um mich abzuholen. Und weil er in unserem Schrebergarten jüngst eine Hütte gebaut hat, hat er sich an unserem letzten Nachmittag in der Bücherei alle Bücher zu diesem Thema aus den Regalen geholt und durchgeblättert, während ich meine letzten Norwegisch-Hausaufgaben erledigte. Und siehe da! „Do på hytta – ideer til løsninger“ lässt uns beide schwärmen – von einem eigenen Plumpsklo auf unserer Parzelle! 😉

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6.
Tilbakeblikk – ein historischer Bildband über Tromsø

… und so komme ich zum Finale meiner vierwöchigen Lesereise durch Oslo. Und es ist kein Zufall, dass ein Bildband über Tromsø ist, der hier erwähnt wird – gefunden in einem sehr gut sortierten Atiquariat in der Storgata. In liebevoller Kleinarbeit sind darin alte und (zum Zeitpunkt des Erscheinens im Jahr 2000) neue Fotografien von zig Plätzen und Straßen in Tromsø zusammen gestellt – und ich werde schon im November die Gelegenheit haben, neue Fotos zu schießen und zu staunen, wie viel sich allein in den vergangenen 16 Jahren schon wieder verändert hat… Tschüss, Oslo! Tromsø, ich komme!

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7.
Bergenstest in Oslo am 14. Januar 2017

Ich hab mich getraut! Ich habe mich am letzten Tag hier in Oslo zum Bergenstest am 14. Januar 2017 angemeldet! Jetzt gibt es kein Zurück mehr, jetzt liegt das (ganz neu erschienene!) B2-Grammatikübungsbuch von Cecilie Lønn immer direkt neben all der norwegischen Belletristik, die noch auf mich wartet… 😉

*

Ha det bra, Oslo! Vi sees!

Literaturstadt Oslo – Lesereise Teil 3

Meine dritte Woche in Oslo hat mich gedanklich weit in die Zukunft katapultiert und mich auf der anderen Seite mit einer Vergangenheit konfrontiert, über die ich viel zu wenig weiß und die uns allen hier und heute angesichts vieler grausamer Kriege auf der ganzen Welt ein Mahnmal sein muss. Lest selbst:

1.
The Future Library – Framtidsbiblioteket in Oslo

Am Tag nach der Verkündung des Literaturnobelpreisträgers erreichte mich eine viel spannendere Nachricht: Der isländische Schriftsteller Sjón wird der diesjährige Autor sein, der ein Werk zur einhundertjährigen Bibliothek der Zukunft hinzufügt. Hva?!? Genau, in Oslo wächst gerade ein ganz besonderes Kunstwerk heran: Einhundert Jahre lang – von 2014 bis 2114 – wird Jahr für Jahr ein(e Schriftsteller/in eingeladen, ein unveröffentlichtes Manuskript einzureichen, das gemeinsam mit allen anderen einhundert Manuskripten bis 2114 unter Verschluss gehalten wird – und zwar in einem speziellen Raum der Deichmanske Hovedbibliotek, die zurzeit neben der Osloer Oper gebaut wird. Erst im Jahr 2114 werden alle 100 Manuskripte erstmalig veröffentlicht – nicht einmal die Initiatorin des Projektes liest sie zu ihren Lebzeiten!

Die schottische Künstlerin Katie Paterson zeichnet verantwortlich für dieses Jahrhundertgemeinschaftswerk, und sie hat sogar schon für das Papier vorgesorgt, welches in nunmehr 98 Jahren für den Druck dieser Bücher benötigt wird, indem sie in der Nordmarka Oslos eintausend Bäume gepflanzt hat. Die Bibliothek der Zukunft ist eines von mehreren „Slow Space“-Projekten im Kontext der Stadtentwicklung rund um Oslos ehemaligem Containerhafen Bjørvika. Ein literaturkundiges Kommittee um Katie Paterson unterstützt bei der jährlichen Auswahl eines/r Schriftsteller/in; im ersten Jahr wurde Margaret Atwood um einen Beitrag gebeten, im zweiten Jahr David Mitchell, jetzt also der isländische Poet Sjón. Ich bin gespannt, welche deutschen und welche norwegischen Autoren/innen vertreten sein werden – soweit ich deren Beteiligung überhaupt noch miterlebe… Die Menschen, die diese Werke der Future Library eines Tages lesen werden, sind heute noch nicht geboren.

Mich beeindruckt dieses Projekt ungemein! Ich kann gar nicht so gut in Worte fassen wie Sjón: „Am I a writer of my times? Who do I write for? How much does the response of the reader matter to me? What in a text makes it timeless? And for some of us it poses the hardest question of all: Will there be people in the future who understand the language I write in?“ (Quelle: futurelibrary.no)

oslo-framtidsbiblioteket

2.
55pluss – Norwegens neue Zeitschrift

55plus Tom EgelandEin Viertel der NorwegerInnen ist heute zwischen 55 und 70 Jahre alt ist. Sie alle bekommen nur die Anfänge wachsenden Framtidsbibliotek (siehe 1.) mit. Dafür gibt es hier und heute extra für sie eine neue Zeitschrift mit hohem literarischen Anspruch. Ich war zufällig beim Launch-Festakt von 55pluss in Oslo anlässlich der zweiten Ausgabe dabei, weil ich auf Facebook davon mitbekommen habe. Und am Abend hab ich dann erfahren, dass es tatsächlich ein reines Facebook-Event war. Und siehe da: Es war voll! Die Zielgruppe ist also via Facebook gut zu erreichen. 😉

Es war ein großartiger Literatur-Abend! Unter anderem haben Tom Egeland und Helene Uri, zwei über Norwegens Grenzen hinaus bekannte AutorInnen, die beide 10 bis 15 Jahren von ihrer Schriftstellerei leben können, sehr offen über ihren täglichen Schreibprozess gesprochen.

3.
Meine Lieblingsschriftstellerin aus Bodø

Elin Åsbakk Lind InterviewEine ganz besondere Freude war es für mich, dass an diesem 55plus-Abend (siehe 2.) auch die nordnorwegische Schriftstellerin Elin Åsbakk Lind aus Bodø angereist war, um ihren ersten Roman vorzustellen. Ihr erinnert Euch vielleicht, dass ich erst vor wenigen Wochen eine von ihren Novellen ins Deutsche übersetzt habe: „Wortlos“.

Es war richtig schön, Elin persönlich kennen zu lernen und an diesem Abend ein bisschen mit ihr zu plaudern – und jetzt bin ich natürlich fix gespannt auf ihren Roman „Punktum midt i en vakker setning“, der übrigens auf den Lofoten spielt.

elin-asbakk-lind-punktum-midt-i-en-vakker-setning

4.
Ein Widerstandskind erzählt

motstandsbarn-lykkenborgMotstandsbarn – Widerstandskind. Ich kannte das Wort bis zu diesem Abend (wir sind immer noch beim Festakt von 55pluss – siehe 2.) nicht. Dann kam Liv Riktor Lykkenborg auf die Bühne und erzählte von ihrer Kindheit in Oslo. Sie war drei Jahre alt, als der Krieg nach Oslo kam – genauer: als die Deutschen Oslo besetzten. Sie war sechs, als ihr Vater als Widerstandkämpfer inhaftiert wurde. Ihre Mutter musste nun allein die fünf Kinder durchbringen. Und als der Vater Jahre aus der Gefangenschaft kam, war zwar der Krieg vorbei, doch die Auswirkungen auf die Psyche aller Betroffenen waren katastrophal. Er misshandelte seine Kindern, schlug insbesondere Liv. Frieden gab es für das Mädchen nicht. Und so kämpft sie bis heute mit den Folgen ihrer traumatischen Kindheitserlebnisse.

Sehr behutsam wurde Liv Riktor Lykkenborg von ihrem Lektor interviewt, sie musste oft innehalten und schlucken. Vor Publikum so konkret über ihr Trauma zu sprechen, fiel ihr sichtlich nicht leicht. In der Pause kaufte ich mir spontan ihr Buch „Motstandsbarn. Med fars krigsinnsats i bagasjen“. Es wird mich Kraft kosten, es zu lesen. Doch wenn es um die psychischen Auswirkungen von Krieg auf Kinderseelen geht, müssen wir alle raus aus unserer Komfortzone und hinsehen und zuhören!

5.
Deichmanske Språkkafè

Ich wünsche es einem so hochaktuellen Buch wie „Motstandsbarn“ (siehe 4.), das es ins Deutsche übersetzt wird. Gleichzeitig finde ich es wichtig, es im Original lesen zu können. Meine Freundin Sarah hat es vor kurzem auf den Punkt gebloggt: „Languages give you new ideas because they offer you the capacity to see and explore issues that might otherwise never have become apparent.“ (cam.ac.uk)

Die öffentliche Bibliothek Deichmanske leistet in Oslo großartiges, wenn es um die Vermittlung des Norwegischen geht. Täglich gibt es in mindestens zwei Filialen ein zweistündiges kostenfreies Sprachtraining, mal vom Roten Kreuz organisiert, mal von Freiwilligen (oft pensionierte LehrerInnen) der Deichmanske Filialen. Jedes Mal sitzt an jedem Tisch mindestens einE freiwilligeR SprachtrainerIn, der die Runde aus 4 bis 8 Personen anleitet, Vokabeln erklärt, freundich korrigiert und vor allem: zum Sprechen ermuntert. Der Andrang ist groß, nicht immer finden ale einen Platz, denn die Räumlichkeiten fassen meistens nur so rund 30 Menschen, die seit mehr oder weniger vielen Monaten bzw. Jahren in Norwegen leben, arbeiten oder Arbeit suchen und vor allem: die Sprache lernen wollen. Ich bin in den vergangenen drei Wochen schon häufig dabei gewesen und habe tolle Menschen aus der ganzen Welt kennen gelernt!

Oslo Deichmanske

6.
Bookcrossing Community Treffen

Apropos: Endlich habe ich mal echte BookcrosserInnen kennen gelernt! Jeden zweiten Donnerstag im Monat gibt es ab 17 Uhr bei LaBaguette im Osloer Hauptbahnhof ein offenes Treffen für alle, die Lust haben, Bücher nicht nur anonym weiterzugeben, sondern auch mal ein bisschen mit anderen Leseratten zu plaudern. Es war richtig spannend an diesem Abend, denn es war auch eine dabei, die schon mehrfach am NaNoWriMo teilgenommen hat. Das hab ich ja auch noch auf meiner Bucket List!

Oslo bookcrossing sone La Baguette

7.
Die Straßenzeitung von Oslo

oslo-gatemagasinetSeit 2005 gibt es =Oslo, die Straßenzeitung, die monatlich von rund 500 registrierten Verkäufer/innen an durchschnittlich 30.000 LeserInnen verkauft wird. Vor ein paar Tagen habe ich auch endlich ein Exemplar gekauft, mit nem „hundrelappen“, wie dieser Geldschein auf norwegisch heißt, wovon die Hälfte beim/bei der Verkäufer/in bleibt. Ich mag das Konzept und lasse mich immer wieder gern von den persönlichen Geschichten beeindrucken, wenn Menschen sich aus der Scheiße arbeiten, weil sie mit der Zeitung in der Hand als registrierte Vekäufer/innen endlich wieder ein Stück Selbstwertgefühl gewinnen, eine sinnstiftende Tätigkeit und eine unterstützende Community.

*

Literaturstadt Oslo – Lesereise Teil 2

Hier kommt mit etwas Verspätung mein Wochenrückblick Nr. 2 auf mein literarisches Oslo. Was soll ich sagen: Oslo hat mich lieb. Die Sonne lächelte die ganze Woche lang, bis auf heute am Sonntag. Für solche Sonntage wurde zum Glück das Buch erfunden! 🙂

1.
Deichmanske bibliotek in Gründerløkka

Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich die folkebibliotek meines Viertels. Ich bin überrascht, dass sie auch sonntags geöffnet hat, immerhin von 12 bis 16 Uhr. Das Büchereiwesen in Norwegen ist sowieso einzigartig: JedeR mit einer Meldeadresse in Norwegen hat Anspruch auf eine kostenlose nationale Ausleihkarte, die in 2.500 Biblioteheken im ganzen Land gültig ist!

Oslo Deichmanske bibliotek Gründerløkka

Ich habe den regnerischen Sonntagnachmitag hier verbracht, gemeinsam mit vielen anderen, die in Ruhe Zeitung gelesen, ein gutes Buch aus dem Regal gegriffen oder einen der vielen Rechner mit kostenlosem Internetzugang genutzt haben. Die Bedeutung dieser Institution, über die ich vor kurzem auf norwegisch gebloggt habe, ist mir wieder einmal sehr bewusst geworden! Volksbibliotheken bieten schlichtweg einen niedrigschwelligen Zugang zu allem, was eine Kultur ausmacht. Sie sind als physisch existente Räume mit physisch existenten Büchern und Zeitschriften auch im digitalen Zeitalter wichtig. Zum Beispiel: Jeden Montag nehme ich hier im ersten Stock an einem kostenlosen Sprachtraining teil, das vom Roten Kreuz organisiert wird und von dem ich nächste Woche mehr erzähle…

2.
Vår Frelsers Gravlund

Dieser Friedhof zwischen Grünerløkka und Bilsen wurde 1808 angelegt und entwickelte sich schnell zur letzten Ruhestätte des Großbürgertums. Hier fndet man unter anderem die Gräber von Ivar Andreas Aasen (dem Begründer des Nynorsk), vom in Norwegen in Ungnade gefallenen Literaturnobelpreisträger Henrik Ibsen sowie das Grab von Bjørnstjerne Bjørnson, von dem der Text für die norwegische Natinalhymne stammt.

oslo-frevlers-gravlundAber es gibt unter den rund 4.500 Grabsteinen auf dem Vår Frelsers Gravlund auch tausende, die kleine, persönliche und Geschichten erzählen: Dieser Knirps hier ist nicht einmal drei Jahre alt geworden ist, sein Grabstein jedoch steht seit fast hundert Jahren und steht und steht und steht… Warum? Weil die Kommune Oslo entschieden hat, dass alle Grabsteine auf dem Vår Frelsers Gravlund erhaltenswürdig sind, unabhängig ob die Laufzeit für ein Grab ausgelaufen ist.

Es ist zwar auch heute noch möglich, auf diesem Friedhof ein Grab zu bekommen und hier beerdigt zu werden, jedoch nur unter einer Bedingung: Der alte Grabstein darf nicht durch einen neuen, modernen Stein ersetzt werden, sondern muss abgeschliffen und neu beschriftet werden. Davon hab ich vorher noch nie gehört. Ein bemerkenswertes Konzept! Und ein wunderschöner Friedhof!

3.
Toril Moi und Vigdis Hjorth im Gespräch

In diesen Tagen tobt in der norwegischen Presse eine heiße Debatte um die moralischen Grenzen der so genannten Wirklichkeitsliteratur, also solcher Romane, denen erklärtermaßen das Leben des/r Schriftstellerin als „Rohmasse“ zugrunde liegt. Die Literaturkritiker/innen sind sich nicht einig, ob Vidgis Hjorth mit ihrem neuen Roman „Arv og miljø“ zu weit gegangen ist, weil sie angeblich durch den Roman ihrem eigenen Vater, der vor wenigen Jahren gestorben ist, quasi indirekt eine Straftat anhängt. Herregud! Ich hätte nicht gedacht, dass es im Jahr 2016 möglich ist, mit dem Thema Inzest, verarbeitet in einem Roman, für solche Aufregung zu sorgen! Es gibt tatsächlich Kulturredakteure, die die Schriftstellerin jetzt frontal angehen und zu ihr sagen, sie müsse jetzt Butter bei die Fische geben, ob sie wirklich von ihrem Vater missbraucht wurde. Ja, und wenn nicht? Darf sie dann keinen Roman zu diesem Thema schreiben und dafür keine Figur erfinden, die Ähnlichkeiten mit ihrem eigenen Vater hat? Auf wen soll hier eigentlich Rücksicht genommen werden? Und aus welchen Gründen? Letztlich ist es Vigdis Hjorth aufs Beste gelungen, genau die Mechanismen aufzuzeigen, wie Tabus entstehen – sie scheint selbst ein wenig überwältigt davon, wie gut ihr das gelungen ist.

Oslo litteraturhuset Vigdis Hjorth og Toril Moi

Umso weniger verwundert es, dass das Literaturhaus an diesem Abend Anfang Oktober – rappelvoll ist: Die Schriftstelerin unterhält sich mit der international erfolgreichen Literaturwissenschaftlerin Toril Moi über ihren neuen Roman. In allen verfügbaren Räumen des Hauses wird das Gespräch aus dem Hauptsaal auf Leinwänden live übertragen, auch ich sitze in einem solchen Raum (darum ist das Foto auch so eigenartig schief, weil ich so schräg vor der Leinwand saß). Es war eine sehr kluge Diskussion. Ich möchte noch in Ruhe darüber bloggen.

Und ich bin seit diesem Abend mehr denn je ein großer Toril-Moi-Fan. Denn obwohl mich diese Literaturwissenschaftlerin mit all ihren Schriften zu Feminsit Theoy und Gender Studies durch mein ganzes Germantsik-Studium begleitet hat, habe ich nie – bis heute – wahrgenommen, dass sie ja Norwegerin ist! Und so werde ich mich jetzt durch ihre Texte lesen, die sie in ihrer Muttersprache veröffentlicht hat. Jeg gleder meg!

4.
Buchmesse der Norsk Antikvarbokhandlerforening

Auf eine Antiquariatsbuchmesse zu gehen, ist ein bisschen wie eine Wal-Safari. Du weißt nicht, ob Du überhaupt etwas von dem zu sehen bekommst, was Du begehrst, musst Geduld haben und seeeeeehr genau hinehen. 😉

In den Kellerräumen des Litteraturhuset fand an diesem Wochenende die Buchmesse der norwegischen Vereinigung der antiquarischen Buchhandlungen statt. Um den Raum voll zu bekommen, waren auch einige schwedische Antiquariate vertreten.

Oslo bokmesse Regine NormannIch hatte tatsächlich ein Ziel: Ich wollte ein Buch von Regine Normann (1867 – 1939) ergattern. Sie war Norwegens erste nordnorwegische Schriftstellerin, die es Anfang des 20. Jahrhunderts zu nationalem Erfolg gebracht hat. In zwei Antiquariaten in Oslo war ich bereits und habe nach einem Normann-Buch gefragt, ohne Erfolg. Jetzt hieß es also an jedem Stand, geduldig die Lücken abzupassen, wenn einE andereE JägerIN bereit war, zur Seite zu treten und mich bis ans Bücherregal vorzulassen. Ich fand dabei übrigens auch ein Buch von Toril Moi auf norwegisch (das über Simone de Beauvoir) – und ließ es stehen, weil ich ahnte, dass ich mein Geld zusammen halten musste, wenn ich mir ein wirklich altes Buch leisten wollte…

Ich drehte zwei Runden und sah beim zweiten Durchgang noch einmal genauer hin. Und da war es: Regine Normann. Det gråner mot høst. Nordlandsagn. Aschehoug Forlaget, Oslo 1930. Makellos. 600 Kronen. Ich werde die nächsten Tage wieder nur Kartoffelbrei essen.

5.
Bookcrossing in Oslo

Nächstes Jahr Ende April treffen sich die Bookcrosser aus der ganzen Welt in Oslo – ich freu mich riesig darauf! Bookcrossing.com zu nutzen, das ist, als ob man ein Buch (das man besitzt und gern gelesen hat) wie freiheitsliebendes Tier wieder in die freie Wildbahn entlässt, jedoch mit einem Chip versehen – in diesem Fall eine auf bookcrossing.com registrierte Nummer – in der Hoggnung, irgendwann einmal eine Nachricht zu bekommen, ob es heil irgendwo angekommen ist und wer es jetzt liest und hoffentlich auch wieder weiter gibt. Es gibt Bookcrosser, die warten fünf Jahre und länger auf ihre erstes Feedback auf ein feigelassenes Buch (und zugegebenermaßen warte auch ich immer noch auf meine erste Nachricht…). Umso größer ist dann die Freude!

Bookcrosser lassen Bücher überall frei, lassen sie zum Beispiel beiläufig auf einer Parkbank liegen, in eine Schutzhülle gewickelt, und überlassen alles weitere dem Zufall. So entstehen die schönsten Geschichten. Und es gibt offizielle Bookcrossing Zonen, also öffentliche Bücherregale, die auf bookcrossing.com registriert sind. In Oslo gibt es zwei davon, eine ist noch recht neu, und die zeige ich Euch heute:

Oslo - offizielle Bookcrossing Zone

Dieser Bücherkoffer steht im Jugeninformationszentrum „UNGInfo“ in der Møllergata 3 im Zentrum von Oslo und ist leider nur in den Öffnungzeiten (werktags 11-17 Uhr, samstags 12-17 Uhr) zugänglich. Ich bin ja nun mittlerweile weit über 27 Jahre alt (und bis zu diesem Alter stehen allen die Angebote des UNGInfo offen), aber selbstverständlich hat niemand was dagegen, wenn auch „Erwachsene“ reinkommen und in dem Bücherkoffer stöbern. 😉

6.
Språkkafè und Suppekurs mit Cecilie Lønn im Mestizo

Es gibt eine sehr gute Lehrbuchreihe fürs Norwegische, die von Cecilie Lønn verfasst wurde, welche – wie der Zufall es will – in Oslo lebt. Ich glaube, Cecilie ist im Herzen halb Lehrerin und halb Schriftstellerin, denn sie schreibt stilistisch und inhaltlich sehr besondere Texte, die sich in meinen Augen von den üblichen oft recht klischeehaften und plumpen Lehrtexten unterscheiden.

Ich habe das große Glück, dass ich im September und im Oktober an ihrem „Suppekurs“ teilnehmen konnte/kann: Einmal im Monat lädt Cecilie samstags ein, einen ihrer tauschfrischen, bis dato unveröffentlichten Texte (Niveau B2/C1) mit ihr durchzugehen – und in der Pause sehrviert ihr Mann, ein Spanier, eine Suppe. Wo? In deren eigenem Sprach- und Kulturzentrum Mestizo, das obendrein auch noch ein offenes Café ist, in dem abends Live-Musik gespielt wird!

oslo-sprakkafe

Jeden Mittwoch Abend ab 19 Uhr bietet Cecilie Lønn zusätzlich ein kostenfreies Språkkafè an. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Es kommt wer will, Cecilie sortiert die Tische nach Sprachniveau, teil eine Vokabelliste aus und lässt die Menschen an den Tischen auf norwegisch einander diese Wörter erklären. Das ist eine sehr effektive Methode, den eigenen Wortschatz zu trainieren und eine Gruppe zum Sprechen zu bringen. Das Gute ist zudem, dass selten Menschen mit der gleichen Muttersprache an einem Tisch sitzen.

7.
Oslo twittert

Wer mich kennt, weiß, dass ich seit über sieben Jahren leidenschaftlich gern twittere – seit einiger Zeit sogar auf norwegisch, und zwar mit meinem Zweitaccount @byskribent (= Stadtschreiberin). Und so ist es für mich ganz natürlich, mir eine Stadt per Twitter zu erschließen. Und siehe da: Gefühlt twittert halb Oslo – darunter beispielsweise Gry Berg-Enger, die täglich begnadet schöne Fotos veröffentlicht.

 

Und auch meine aktuellen Lieblingsschriftsteller/innen, die in Oslo leben und über deren neueste Bücher ich bereits – auf norwegisch – gebloggt habe, sind auf Twitter vertreten: Mattis Øybø, Birgit Alm, Marita Hansen (verlinkt habe ich hier ihre jeweiligen Reaktionen auf meine Rezensionen ;-). Sobald ich meine Twitter-Liste mit einem Best-of-Oslo zusammengestellt habe, verlinke ich sie hier, versprochen!